Auslandsjahr


Auslandsjahr in Italien: Abschlussbericht
            Alessandria 2013/14
 “It’s not just a year in your life. It’s a whole life in one year."
Mein Jahr in Alessandria, im Norden von Italien, war wohl das prägendste und zugleich interessanteste Jahr in meinem bisherigen Leben. Ich habe mich am 07.09.2013 in ein Flugzeug Richtung Süden gesetzt, nichtsahnend, wie verändert ich doch in einem Jahr wiederkommen würde. Und wer auch immer nur mit dem kleinsten Gedanken spielt, für eine Zeit in die italienische Sprache und Kultur einzutauchen, in diese völlig andere Welt – ich würde wirklich jedem dringend dazu raten. Es war die absolut beste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe.
Von meiner Zeit in Piemont habe ich so viele Dinge zu erzählen, die mir selbst jetzt noch immer so anders, so unglaublich und so toll vorkommen. Als ich in Mailand aus dem Flugzeug gestiegen bin, habe ich mir geschworen, dass ich dieses Abenteuer durchziehen werde. Kein Wort Italienisch konnte ich – alle im VHS-Kurs gelernten Dinge waren von jetzt auf einmal weg. Und trotzdem ging ich meine erste Zeit mit dem Gedanken an, dass ich diese Sprache unbedingt lernen würde. Nichts ist so schwer, dass man es mit viel Willenskraft und vor allem der richtigen Einstellung nicht bewältigen kann.
 Was mich dann letztendlich doch irgendwie überrascht hat, ist, dass es alles so schnell ging. Ich habe in den ersten Monaten so viel gelernt, wollte so viel mitnehmen. Mich hat es ehrlich verwundert, dass die Zeit einfach nur zu fliegen schien. Von Heimweh keine Spur, immer auf neue Erfahrungen aus – meine Zeit ist einfach viel zu schnell vorbei gewesen. Man bekommt wirklich ein Gefühl dafür, wie man sein Leben mit unwichtigen Dingen vertrödelt, während man immer weniger Zeit für die wichtigen Sachen hat. Und ehe ich mich versehen habe, war ich schon fast wieder zurück in meiner Heimat…
 Ich war verzaubert von den Orten, von den Menschen, der Sprache, von der Kultur und einfach dem riesigen Unterschied zu Deutschland. Ich war von  Italien ständig so unwahrscheinlich fasziniert! Meiner Meinung nach ist es das beste Gefühl überhaupt, wenn man sich mit einer anderen Kultur identifizieren kann. Die Italiener, die ich getroffen und kennengelernt habe, waren allesamt die absolut offensten Menschen überhaupt. Ich erinnere mich an meinen ersten Tag, an dem ich bereits so vielen Leuten vorgestellt wurde. Und alle diese Personen habe ich so sehr in mein Herz geschlossen, dass ich es am Ende meines Aufenthaltes nicht für möglich gehalten habe, ohne diese Offenheit, die Herzlichkeit, diese Lebensfreude klarzukommen. Ich finde es unglaublich faszinierend, wie viele Dinge in einem Jahr passieren können, und egal, wie viel ich darüber rede – ich werde immer die einzige sein, die wirklich versteht, wie sehr mich diese Erlebnisse geprägt und verändert haben. Ich erinnere mich noch genau an meine ersten Versuche, Italienisch zu reden. Ich erinnere mich an mein ständiges „Ciao, sono Hannah“ – Hallo, ich bin Hannah – wenn ich wieder jemand neuen kennengelernt habe. Ich erinnere mich an meinen ersten Schultag, an dem ich vor dieser italienischen Schulklasse stand, in der ich später so unglaublich gute Freunde gefunden habe. Ich erinnere mich an Feste, bei denen ich gescherzt, gelacht, geredet habe, in dieser wunderbaren Sprache, die ich nicht perfekt beherrschte, aber die das Reden so viel schöner gemacht hat. Ich erinnere mich an Weihnachten, wo wir die Geschenke am Morgen des ersten Weihnachtstages ausgepackt haben und abends mit 30 Leuten um den Tisch saßen. Ich liebe es, wie Freunde zur Familie gezählt werden, und ich liebe diese italienische Lebensweise! Ich lächele heute noch, wenn ich in einer Pizzeria sitze, weil es mich an die schönsten Abende in Italien erinnert. Ich denke so gerne an alles zurück, an meine unglaubliche Gastfamilie, die ich vom ersten Moment an schon so sehr ins Herz geschlossen habe, an meine Freunde, die mich in einer anderen Sprache verstehen. An die Tage, an denen ich einfach nur froh war, die Entscheidung getroffen zu haben, mir ein zweites Leben aufzubauen.
Ich habe so viel von diesem wahnsinnig vielseitigem Land gesehen, und der wohl fantastischste Moment überhaupt war, als ich nach einer 7-stündigen Zugfahrt morgens um acht Uhr vor dem Kolosseum in Rom stand. Ich habe die Geschichte eines Landes noch nie näher erlebt, und mein kleiner Trip nach „Roma“ ist schon immer einer meiner Träume gewesen. Es ist nicht zu fassen, wie sehr eine Kultur einen verzaubern kann.
Mir  fehlen selbst die italienischen Handbewegungen, die ich übernommen habe, ohne es auch nur zu merken. Ich könnte so lange über alles das, was ich gesehen habe, erzähle. Wie sehr es mich doch beeinflusst haben muss, in diese fremde Kultur einzutauchen, merke ich erst jetzt. Ich bin nicht nur offener geworden, selbstbewusster, ich gestikuliere nicht einfach mehr. Ich spreche im Herzen jetzt Italienisch, ich denke anders über ganz einfache Dinge. Ich habe verstanden, was es heißt, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Ich weiß jetzt, wo ich wieder in Deutschland bin, was Heimweh ist. Heimweh nach einem anderen Zuhause, wo man in den Tag hinein lebt und immer das Beste aus dem macht, was einem das Leben gibt. Ja, sogar das Essen fehlt mir!  Ich denke, ich habe verstanden, wie unwichtig manche Dinge doch sind, über die sich andere Leute hier aufregen würden. Ich habe jetzt Pläne, wie ich mein Leben leben will. Ich kann jetzt über so viele Sachen hinwegsehen, weil ich gelernt habe, wie wichtig es ist, nicht kleinlich zu sein. Ich trinke auch nur noch Espresso und schätze gutes Eis, aber das hat wohl eher etwas mit kulinarischen Vorstellungen zu tun!  
Wenn ich an die Zeit kurz vor meinem Abflug denke, waren das wohl mitunter die kürzesten Tage. Ich hatte so viel zu tun! Ich konnte den italienischen Sommer kennenlernen und musste Abschied von meiner Stadt, meinen Freunden, den Bekannten nehmen. Als ich aus Deutschland weggegangen bis, war mir klar, dass ich bald wieder da sein würde. Aber als ich Italien verlassen habe, wusste ich nicht, wann ich wiederkommen könnte. Abschiede sind die traurigsten Dinge überhaupt, weil man nicht sicher sein kann, dass man alle diese Personen auch wiedersieht. Mein einziger Trost war, dass ich hier in Deutschland wieder die gute deutsche Küche genießen kann. Dafür fehlt mir jetzt meine Pasta.
Die Sache, die mir am allermeisten fehlt, muss aber wohl die Sprache sein. Italiener reden viel, laut, gerne, mit einer ganz anderen Melodie in der Stimme und vor allem auf Italienisch. Ich habe mich wohl ein bisschen in die Sprache verliebt – kein Wunder eigentlich. Und immerhin plane ich schon meinen nächsten Besuch, damit ich all das wieder erleben kann! Meine Zeit in Italien kann ich gar nicht anders als erlebnis- und lehrreich beschreiben. Es war wunderbar, faszinierend, interessant, anders, italienisch. Und doch war es so viel mehr als das. Man kann es nicht in Worte schreiben, was ich für das Land und die Leute mit den ganzen dahintersteckenden Emotionen verbinde. Mein Auslandsjahr war die beste Entscheidung, die ich je machen konnte. Und nur, wer ähnliches erlebt, kann das voll und ganz nachvollziehen.
Es ist kein Jahr in meinem Leben gewesen, sondern ein ganzes Leben in einem Jahr. Und es geht noch weit darüber hinaus. Ich lebe jetzt mit einem Herz, das international schlägt. Und das ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt, denn es schenkt mir so viel. Und dieses Gefühl, auf der Welt zuhause zu sein, wünsche ich jedem einzelnen von euch.

Kommentare

  1. Wow, Hannah, ich bin sprachlos. Absolut sprachlos. Du schreibst so wunderschön und ergreifend, man fühlt sich sofort angesprochen! Ich bin jetzt seit 9 Tagen in Argentinien und seit 11 Tagen nicht mehr zu Hause und so langsam realisiere ich, was diese lange Zeit eigentlich bedeutet. Das hat mir die letzten drei Tage ein wenig erschwert, zusammen mit der Sprache und dem ganz anderen Leben, was nur dabei anfängt, dass Schule nachmittags ist und man erst rauskommt wenn es dunkel ist, ließ es mich schon ein wenig an meiner Entscheidung zweifeln. Auch wenn ich weiß, wie sehr ich das wollte und dafür gekämpft habe, ja, immer noch will und immer noch kämpfe. Ich glaube ich hatte es mir einfacher vorgestellt, hab nur das Abenteuer und die Freiheit gesehen, aber nein.
    Ich weiß auch nicht warum ich dir das jetzt als Kommentar hier runter schreibe, aber egal. Oder, vielleicht doch. Seit gestern geht es mir besser, man gewöhnt sich an alles und du hast mir mit diesem Text wirklich viel Mut gemacht!
    Ich danke dir dafür und für all die anderen wundervollen Berichte, die du verfasst hast, und hoffe dass du bald wieder für eine Weile nach Italien zurückkehren kannst.
    Die besten Grüße aus Argentinien
    Henriette

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    1. Ciao Henriette!
      Erstmal vielen lieben Dank für deinen Kommentar, hat mich echt gefreut, dass sich jemand mal auf mein Geschreibe meldet!
      Und gleich nochmal dankeschön für dein Lob! Ich versuche immer, möglichst authentisch zu schreiben und vielen anderen Leuten aus dem Herzen zu sprechen. Das war also eine kleine Bestätigung dafür, dass es geklappt hat. :-)
      Ich weiß sehr gut, wie es am Anfang ist - ziemlich schwer, das alles hinzubekommen. Neue Sprache, neues Land, neue Familie, neue Schule. Sieh es am besten als kompletter Neuanfang an! Bau dir da drüben dein zweites Leben auf, und denk vor allem daran, dass jeder mal einen schlechten Tag hat - aber du hast dich entschieden, dass in Argentinien dein neues Zuhause wird, also kämpf ruhig darum, dass es unvorstellbar gut wird!! Mach alles, was du tun kannst, und lass keine Möglichkeit sausen! Du wirst am Ende deiner Zeit stolz darauf sein, dass du all die schönen Dinge dort erlebt hast und trotz Zweifel immer weitergemacht hast. Man kann im Leben manchmal selber mitbestimmen, was passiert. Du hast jetzt alles in der Hand, und in ein paar Monaten wirst du dir für deine Entscheidungen auf die Schulter klopfen. Aus allen Sachen kann man lernen und wachsen!
      Ich wünsche dir alles alles Gute für deine Zeit in Argentinien! Sieh immer voran, es geht immer weiter und wie du richtig gesagt hast, man gewöhnt sich an alles! Kopf hoch, Blick nach vorn - am Ende wirst du die Zeit zurückdrehen wollen.
      Fernweh ist besser als Heimweh!
      Vielen Dank nochmal für den lieben Kommentar!
      Hab eine tolle Zeit in Argentinien, und viele Grüße aus Deutschland!
      Hannah ♥

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